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Erstveröffentlichung von Anne Franks Tagebuch vor 75 Jahren

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23. Juni 2022 — Am 25. Juni 2022, ist es genau 75 Jahre her, dass Anne Franks Tagebuch unter dem Titel Het Achterhuis (Das Hinterhaus) beim Verlag Contact erscheint, am 25. Juni 1947. Otto Frank, der einzige Überlebende der Familie Frank, erfüllt seiner Tochter postum den Wunsch, nach dem Krieg einen auf ihren Tagebüchern basierenden Roman über ihre Zeit im Versteck herauszubringen.

Über diese Veröffentlichung schreibt Otto Frank später: „Wie stolz wäre Anne gewesen, wenn sie das erlebt hätte.“

‘Du weißt längst, dass es mein größter Wunsch ist, einmal Journalistin und später eine berühmte Schriftstellerin zu werden. Ob ich diese hochfliegenden (oder größenwahnsinnigen!) Neigungen jemals werde ausleben können, muss sich noch zeigen, aber Themen habe ich jetzt schon. Nach dem Krieg will ich auf jeden Fall ein Buch mit dem Titel „Het Achterhuis“ [Das Hinterhaus] herausbringen, ob das gelingt, ist noch die Frage, aber mein Tagebuch kann dafür nützlich sein.’

„Das ist das Vermächtnis Ihrer Tochter“, sagt die Helferin Miep Gies zu Otto Frank, als sie ihm am 18. Juli 1945 Annes Tagebuchaufzeichnungen übergibt. Otto Frank hat zu diesem Zeitpunkt gerade erfahren, dass seine Töchter Margot und Anne in Bergen-Belsen an Fleckfieber gestorben sind. Zuerst hat er nicht die Kraft, Annes Tagebuch zu lesen, aber als er einen Monat später dann doch hineinschaut, kann er es nicht mehr aus der Hand legen. Er tippt Passagen für die Verwandten in Basel ab und beginnt mit einer Übersetzung ins Deutsche.

„Eine ganz andere Anne“

Beim Lesen wird Otto Frank klar, dass er seine Tochter nicht so gut kannte, wie er geglaubt hatte. „Eine ganz andere Anne enthüllte sich mir als das Kind, das ich verloren hatte. Ich hatte keine Ahnung von der Tiefe ihrer Gedanken und Gefühle gehabt.“ Nicht nur die Verwandten, auch Freunde lesen die Auszüge aus dem Tagebuch. Sie finden, Annes Texte seien ein „document humain“ und reden Otto Frank zu, sie nicht für sich allein zu behalten. Erst nach einer Weile sieht er das auch so.

Kinderstimme

Über seine Bekannten Jan und Annie Romein, zwei Historiker, findet Otto Frank einen Verlag. Jan Romein liest das Tagebuch und verfasst einen kurzen Artikel darüber, der unter dem Titel „Kinderstem“ (Kinderstimme) in der Zeitung Het Parool erscheint. Unter anderem schreibt er: „Als ich es ausgelesen hatte, war es Nacht, und ich wunderte mich, dass das Licht noch brannte, dass noch Brot und Tee da waren, dass ich keine Flugzeuge brummen hörte und keine Soldatenstiefel auf der Straße hallten, so sehr hatte mich die Lektüre in den Bann gezogen und in die unwirkliche Welt zurückversetzt, die nun schon wieder beinahe ein Jahr hinter uns liegt.“

Annes Wunsch geht in Erfüllung

Jan Romeins Artikel weckt das Interesse des Amsterdamer Verlags Contact. Otto Frank stellt aus Annes Tagebuch, den von ihr selbst überarbeiteten Tagebucheinträgen und einigen ihrer Kurzgeschichten einen Text für die Veröffentlichung zusammen. Am 25. Juni 1947 erscheint das Buch, etwas mehr als fünf Jahre nach Annes dreizehntem Geburtstag, an dem sie ihr erstes, rotkariertes Tagebuch bekam. Den Buchtitel hatte sie sich selbst ausgedacht: Het Achterhuis (Das Hinterhaus). Die niederländische Ausgabe erhält positive Besprechungen. So heißt es u.a., sie sei „ein Kriegsdokument von treffender Dichte“, und „Eltern und Erziehern wird dringend angeraten, dieses Tagebuch zu lesen.“ Auf die Erstausgabe (3.036 Exemplare) folgen im Dezember 1947 die zweite (6.830) und im Februar 1948 die dritte Auflage (10.500 Exemplare).

Aus der Vergangenheit lernen

Der Erfolg des Tagebuchs in den Niederlanden ermutigt Otto Frank, Möglichkeiten in anderen Ländern zu sondieren. Auf eine französische Ausgabe 1950 folgt im selben Jahr eine deutsche Edition. Zwei Jahre später erscheint die englische Übersetzung. Im Laufe der Jahre kommen immer mehr Länder hinzu. Anne Franks Tagebuch wurde bis heute in mehr als 70 Sprachen übersetzt.

‘Otto Frank erhält bis zu seinem Tod im Jahr 1980 Briefe von Leserinnen und Lesern aus der ganzen Welt, die von Annes Tagebuch tief berührt sind. Er schreibt über diese Briefe, ‚dass trotz deren Verschiedenheit doch meist der Wunsch aus ihnen spricht, aus der Vergangenheit zu lernen und mitzuarbeiten an einem besseren Verständnis der Menschen untereinander.‘ Otto Frank war unermüdlich in seinem Bestreben, die Welt ein bisschen besser zu machen. Auch durch seinen Einsatz klingen Annes Worte immer noch weltweit nach.’